Die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten bei Bund und Kommunen sind heute in Potsdam ohne ein Ergebnis geblieben. Die zweitägigen Verhandlungen konnten deshalb zu keinem Erfolg geführt werden, weil besonders die Vertreter der Kommunen „Beton angerührt“ hatten.

Waren sie in der Bewertung der Leistungen des öffentlichen Dienstes noch einsichtig, so blockierten sie bei der Anpassung der Gehälter jedes inhaltliche Gespräch und erhoben ihrerseits Forderungen nach mehrjährigen Nullrunden. Für den DBB kündigte dessen Vorsitzender Ulrich Silberbach Warnstreiks als unvermeidbar an.

Die Gewerkschaften waren mit der Absicht in die Verhandlungen gegangen, den Bürgerinnen und Bürgern die Auswirkungen von Arbeitsniederlegungen im öffentlichen Dienst eigentlich zu ersparen. Gerade in der Erholungsphase der Wirtschaft nach deren Einbruch durch die Corona-Pandemie sollten Belastungen vermieden werden. Angesichts der absoluten Blockadehaltung der Arbeitgeberseite wird sich dies leider nicht realisieren lassen. Die Gewerkschaften kündigten jedoch an, dass Erzieherinnen und Erzieher die Arbeit zunächst für nicht länger als zwei bis drei Tage niederlegen würden. Sie werden in den nächsten Tagen festlegen, in welchen Branchen und Betrieben Warnstreiks zunächst stattfinden werden.

Arbeitgeberseite spielt mit dem Feuer

Der Eintritt dieser Situation war von Gewerkschaftsseite nicht beabsichtigt, sie war vielmehr an einem schnellen und konstruktiven Abschluss interessiert. Dabei sollten die Kolleginnen und Kollegen allerdings nicht über den Tisch gezogen werden. Zu frisch sind die Erinnerungen an die 1990er Jahre. Damals wurden im öffentlichen Dienst Sonderopfer gegen die Beschäftigten durchgesetzt und die Gewerkschaften akzeptierten moderate Tarifabschlüsse im gesamtgesellschaftlichen Interesse. Von den Arbeitgebern war erwartet worden, die Sparmaßnahmen nur so lange wie nötig aufrechtzuerhalten. Die Erfahrungen haben jedoch gezeigt, dass solche Sparmaßnahmen nicht einfach rückgängig gemacht, sondern auch in finanziell guten Jahren beibehalten werden.

Dafür lässt sich die Politik immer wieder künstliche Hürden einfallen. Die Schuldenbremse ist eine solche. Sie dient der Disziplinierung von Gewerkschaften und Abgeordneten gleichermaßen. Es sollen keine hohen Forderungen an die Regierungen gestellt werden, die Gewerkschaften sollen schwierige Finanzlagen bei ihren Forderungen berücksichtigen. Tritt aber eine echte Krisensituation ein, spielt die Schuldenbremse keine praktische Rolle mehr. Im Rahmen der Corona-Krise werden jetzt Gelder „rausgehauen“ als gäbe es kein morgen mehr.

Viele dieser Gelder werden sehr großzügig verteilt. Man denke nur an die Unterstützung von Unternehmen, die sich am Markt allein gar nicht mehr halten könnten, oder an die solidarische Unterstützung vorrangig der Italiener, für die Deutschland allein 125 Milliarden Euro locker macht, obwohl Italiener im Vergleich zu Deutschen im Durchschnitt dreimal so vermögend sind, dafür aber kaum Steuern zahlen.

Der öffentliche Dienst verlangt finanzielle Wertschätzung

Und jetzt soll bei den systemrelevanten Berufen des öffentlichen Dienstes geknausert werden? Die Gewerkschaften sind deshalb gut beraten, Härte zu zeigen. Denn wenn diese Tarifrunde kein positives Ergebnis bringt, dann werden wir auf Jahre hinaus abgehängt werden. In den kommenden Jahren wird nämlich angesichts der jetzt gemachten Schulden Haushaltssparsamkeit bei Bund, Länder und Kommunen verstärkt Einzug halten. Allein der Bund hat im Jahr 2020 Schulden in Höhe von rd. 216 Milliarden Euro aufgenommen und 2021 werden sie noch einmal 96 Milliarden Euro betragen.

Die Kommunen, die hartnäckigsten Verhandlungsgegner der Gewerkschaften, erhalten von Bund und Ländern eine Finanzspritze in Höhe von 11 Milliarden Euro, um den Ausfall der Gewerbesteuereinnahmen zu kompensieren. Da wirkt es fast wie Hohn, wenn sie ausschließlich über klamme Kassen klagen und meinen, gerade bei den Einkommen ihrer Mitarbeiter das Steuersäckel geschlossen halten zu müssen.

Arbeitgeber werten Verhandlungen positiv

Die Arbeitgeber haben die zweitägigen Verhandlungen völlig anders wahrgenommen. Sie zeigten sich zufrieden. Horst Seehofer (CSU) lobte sachliche Gespräche. Der Verhandlungsführer der Kommunen, Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge, sprach von einer „guten Atmosphäre“. Obwohl sie nach Potsdam kein Angebot mitgebracht hatten, kündigte Mädge man ein solches für die dritte Runde an. Zunächst wolle man das Ergebnis der Sondergespräche für Sparkassen und den Pflegebereich abwarten.

Die kommunalen Arbeitgeber betonten, an einer langfristigen Vereinbarung interessiert zu sein. Ihnen schwebt eine Vertragslaufzeit bis 2023 vor Augen. Die Gewerkschaften wollen hingegen einen Abschluss für lediglich zwölf Monate, weil sonst die Verhandlungen mit zusätzlichen Risiken beladen würden. Die Einnahmen der Körperschaften für mehrere Jahren ließen sich gegenwärtig nur unzureichend schätzen.

„Wir werden vor der nächsten Runde Ende Oktober den Arbeitnehmern ein Angebot unterbreiten“, kündigte Bundesinnenminister Seehofer an. Gleichzeitig sprach er von einer ganz „außergewöhnlich schwierigen“ Situation, die durch die Corona-Krise und den Wirtschaftseinbruch geprägt werde. Jetzt bedürfe es einer ausgewogenen Abwägung der Interessen. Auf der einen Seite sei die problematische Finanzlage der Gebietskörperschaften zu berücksichtigen, auf der anderen die Anerkennung der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes und deren gerade in der Corona-Krise erbrachten Leistungen.

Wenn die Gewerkschaften den Druck auf die Arbeitgeber erhöhen, bleibt zu hoffen, das Bund und Kommunen bewusst wird, welche gesamtwirtschaftlichen Risiken sie eingehen, wenn sie es mit der Blockadehaltung übertreiben.

BSBD steht an der Seite der demnächst im Warnstreik befindlichen Kolleginnen und Kollegen

In einer ersten Stellungnahme zeigte sich Birgit Westhoff enttäuscht von der hinhaltenden Taktik der Arbeitgeberseite. „Die Kolleginnen und Kollegen in der Krise zu beklatschen, dann aber bei der finanziellen Anerkennung zu knausern, missachtet die Leistungen des öffentlichen Dienstes. Hier agiert nicht die unsichtbare Hand des freien Marktes, der alles zum Guten wendet. Hier sind kluge und gerechte Entscheidungen und Politikern gefragt, die wissen, was sie tun“, umriss die Gewerkschafterin ihre Erwartungen für die abschließende Verhandlungsrunde.

Auch BSBD-Chef Ulrich Biermann meinte, die Haltung der Arbeitgeber mache einfach sprachlos. In einer Krisensituation Verhandlungen destruktiv zu führen, sei einfach eine Frechheit. „Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass das Geld – anders als bei der finanziellen Unterstützung von Unternehmen – nicht mehr einfach auf der Straße liegt. Die Kolleginnen und Kollegen verlangen nichts Unverhältnismäßiges. Sie wollen sich aber nicht mit Lob und guten Worten abspeisen lassen. Jetzt sind wir vom BSBD gefordert, unseren Kolleginnen und Kollegen im Arbeitskampf solidarisch zur Seite zu stehen“, forderte der BSBD-Chef ein Umdenke von der Arbeitgeberseite.

Die dritte und entscheidende Verhandlungsrunde ist auf den 22. Und 23. Oktober 2020 terminiert. Es bleibt zu hoffen, dass die Arbeitgeber die Zeichen der Zeit bis dahin erkennen und ein einigungsfähiges Angebot auf den Tisch legen. Bleiben sie bei ihrer bisherigen Blockadehaltung, provozieren sie einen Arbeitskampf völlig ohne Not.

Friedhelm Sanker

Foto: Friedhelm Windmöller, DBB

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Von BSBD NRW

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