Seit dem Donnerstag der vorvergangenen Woche befindet sich die Welt in Schockstarre. Der Überfall Russlands auf die Ukraine hat das Weltbild vieler fortschrittlicher Kräfte in unserem Land bis auf die Grundmauern einstürzen lassen. Bislang wollten wir es allen Partnern im In- und Ausland recht machen, solange sich gute Geschäfte abzeichneten. Ideologische Divergenzen traten dann sofort in den Hintergrund. Wir setzten auf Wandel durch Annäherung und konnten uns gar nicht vorstellen, dass ein Autokrat wie Putin mit einem heißen Krieg nicht nur droht, sondern ihn tatsächlich vom Zaune bricht.

Diese unrealistische Sicht auf die Welt ist gründlich gescheitert. Wir müssen jetzt lernen, die Welt zu sehen, wie sie ist. Wir dürfen uns keinen Illusionen mehr hingeben. Dafür sind wir allerdings nicht allzu gut gerüstet. Viele systemische Mängel wollen kurzfristig beseitigt sein. Daneben läuft das normale Regierungsgeschäft weiter. In Nordrhein-Westfalen steht die Übertragung des Tarifergebnisses auf den Beamten- und Versorgungsbereich auf der Tagesordnung. Auch hier achten die Betroffenen darauf, ob es auch für sie gerecht zugehen wird.

Zahlreiche teure politische Projekte müssen finanziert werden

An sich ist dies ein unspektakulärer Vorgang. Nur in diesem Jahr türmen sich so viele Schwierigkeiten zu einem wahren Problemberg auf, dass von sachverständiger Regierungsarbeit gerechte Entscheidungen erwartet werden müssen. Denn wenn wir weiter die Vermögen der Reichen schonen, dann werden wir die finanziellen Herausforderungen der nahen Zukunft kaum bewältigen können und die arbeitende Bevölkerung unweigerlich überfordern.

Auf Bund und Länder kommen jetzt die finanziellen Konsequenzen des Putin-Krieges zu. Flüchtlinge wollen versorgt, eine wehrhafte Bundeswehr will aufgebaut werden. Allein diese Aufgaben werden Hunderte Milliarden Euro erfordern. Dann wollen wir unsere marode Infrastruktur endlich auf Vordermann bringen und unser Leben und unsere Wirtschaft auf Klimaneutralität umstellen. Und auch die Digitalisierung und die Bewältigung der Corona-Pandemie sollten nicht vergessen werden. Auch in diese Bereiche werden wir Hunderte Milliarden Euro investieren müsssen.

Kohleausstieg und der Ausstieg aus der Atomkraft müssen wohl nochmals überdacht werden. Putins Krieg und die Sanktionen der westlichen Welt haben die Energiepreise exorbitsant steigen lassen. Gleichzeitig können Energieengpässe für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden. Und zu allem Überfluß leiden wir unter einer galoppierenden Inflation, von der die EZB-Chefin Christine Lagarde noch vor wenigen Monaten behauptete, dass sie ein zeitlich eng begrenztes Phänomen sei. So kann man sich irren.

Ringt sich die Politik in NRW zu einer gerechten Lösung durch?

Unter diesen Rahmenbedingungen soll jetzt das Gesetz zur Anpassung von Besoldung und Versorgung auf den Weg gebracht werden. Für die aktiven Beamten ist die Eins-zu-eins-Übertragung des Tarifergebnisses kein großes Problem. Auch sie kommen in den Genuss der Corona-Einmalzahlung in Höhe von 1.300 Euro. Anders sieht es für die Versorungsempfänger aus. Sie können die Zulage aus rechtlichen Gründen nicht erhalten. Aber auch ein Ausgleich in entsprechender Höhe wird von fast allen Bundesländer nicht vorgesehen. Dabei muss doch jedem Verständigen klar sein, dass eine Eins-zu-eins-Übertragung des Tarifergebnisses nicht erreicht werden kann, wenn einfach ein Anpassungselement gestrichen wird.

Faktisch würde dies dazu führen, dass die Versorgungsempfänger bei hoher Inflation für mehr als zwanzig Monate keinen Ausgleich erhielten. Ein massiver realer Kaufkraftverlust zu Lasten der Betroffenen wäre die unweigerliche Konsequenz. Vielfach ist die Meinung zu höheren: „Was brauchen Pensionäre noch viel Geld? Sie haben ihr Leben gelebt und sollen den Gürtel etwas enger schnallen!“ Eine solche Auffassung verkennt, dass es viele Kolleginnen und Kollegen mit kleinen Pensionen gibt, die bereits jetzt jeden Euro umdrehen müssen, um steigende Mieten und teure Nebenkosten finanzieren zu können. Die Politik sollte diesen Umstand nicht verdrängen, weil die Grenze, ab der die Pensionen verfassungswidrig werden, sehr schnell erreicht ist.

Es ist dann eben ein Gebot der Fairness, dass die Politik die Versorgungsempfänger nicht mit hohen Kosten und ohne adäquate Erhöhung der Versorgungsbezüge im Regen stehen lässt. Bislang wählen abhängig Beschäftigte regelmäßig Parteien, die weniger ihre Interessen, dafür aber jene der Reichen im Blick haben. Jetzt, das lässt sich absehen, wird eine Schmerzgrenze erreicht. Und das Wahlverhalten von Menschen kann sich ändern. Im Mai 2022 stehen in NRW Landtagswahlen an. Und es ist nicht völlig unwahrscheinlich oder gar ausgeschlossen, dass der öffentliche Dienst bei diesem Urnengang Parteien präferieren wird, die mit ihm gerecht umgehen.

Die hohen Finanzbedarfe erfordern eine Sonderabgabe zu Lasten von Mega-Reichen

Wenn die eingangs erwähnten Aufgaben zeitnah realisiert werden und die Schulden nicht aus dem Ruder laufen sollen, dann bietet sich als Lösung eine Substanzbesteuerung für Mega-Reiche an. Weil sich die Schere zwischen Arm und Reich in den zurückliegenden Jahrzehnten immer weiter geöffnet hat, wäre es psychologisch sinnvoll und für den Zusammenhalt der Gesellschaft äußerst zuträglich, die Vermögen der Deutschen verstärkt zur Finanzierung heranzuziehen.

Die Grenze der Inanspruchnahme sollte dort verlaufen, wo keine Auswirkung auf den Alltag und die Lebensumstände der Menschen zu errwarten sind. Wenn beispielsweise eine Deutsche mit einem Geldvermögen von 70 Mio. Euro zehn oder zwanzig Prozent als Lastenausgleich zahlen würde, dann hätte dies keinerlei Auswirkung auf ihren Alltag. Müssen hingegen Durchschnittsverdiener die dramatisch steigenden Kosten ohne angemessenen Ausgleich schulternd, hätte dies durchaus gravierende Konsequenzen für ihr Leben.

In dieser Situation, die hinsichtlich der fiannziellen Belastungen durchaus mit den Nachkriegsjahren verglichen werden kann, die Kosten vorrangig von jener Personengruppe übernehmen zu lassen, die über den Großteil des Geldvermögens in Deutschland verfügt, ist nicht mehr als recht und billig, weil es die arbeitende Bevölkerung ist, die Jahr für Jahr die Rendite für das eingesetzte Kapital erwirtschaften muss.

Das deutsche Geldvermögen hat aktuell einen neuen Höchststand von 7.400 Milliarden Euro erreicht. Der Finanzbedarf für die aktuellen Herausforderungen wird nach vorsichtigen Schätzung auf 2.000 Milliarden Euro taxiert. Das ist ein Bereich, den sich die reichen Deutschen durchaus leisten könnten, ohne dass sie eine spürbare Wohlstandsminderung hinnehmen müssten.

Auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion hin hat sich die damalige Bundesregierung sehr bedeckt gehalten und unter dem 25. Mai 2020 formuliert: „Die Einführung einer einmaligen Vermögensabgabe ist weder Gegenstand des Koalitionsvertrages noch einer anderen Vereinbarung zwischen den Koalitionsparteien. Die Frage nach etwaigen Überlegungen stellt“ …….. „eine hypothetische Erwägung dar, wozu die Bundesregierung grundsätzlich nicht Stellung nimmt.“

Seinerzeit ging es nur um die Bewältigung der Pandemie. Zwischenzeitlich sind die finanziellen Herausforderungen kumuliert. Und da sollte die Frage nach einem Lastenausgleich durch die Politik nicht mit einem Tabu belegt werden. Die Bundesregierung ist gut beraten, solche Finanzierungswege zu suchen und zu beschreiten, die kein weiteres Spaltungspotential besitzen, sondern die den gesellschaftlichen Zusammenhalt nachhaltig stärken.

Zunächst ist die Regierung Wüst am Zug

Ein erstes Indiz, wie die Politik mit den künftigen finanziellen Herausforderungen umgehen wird, stellt jetzt die Übertragung des Tarifergebnisses auf den Beamten- und Versorungsbereich dar. Besitzt die CDU-geführte Landesregierung die Kraft, bezüglich des sich abzeichnenden Kaufkraftverlustes für Versorungsempfänger eigene Gestaltungsakzente zu setzen?

In diesem Zusammenhang ist natürlich anzuerkennen, dass die Kostendämpfungspauschale im Beihilfenrecht mit Wirkung vom 1.1.2022 entfallen soll. Dies kann jedoch allein nicht als Äquivalent für die entgangene Corona-Zulage angesehen werden. Einen gangbaren Weg zeigt in diesem Zuammenhang das Land Schleswig-Holstein auf, das seinen Beamten und Versorgungsempfängern eine zusätzliche Anhebung der Grundgehälter um 0,6 Prozent zur Steigerung der Attraktivität zubilligt.

Im Hinblick auf die Landtagswahl am 15. Mai 2022 liefern sich nach Feststellung der Demoskopen CDU und SPD gegenwärtig ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Die Entscheidung wird offenbar sehr knapp ausfallen, so dass kleine Ereignisse bereits große Wirkung entfalten können. Für den öffentlichen Dienst kommt es darauf an, dass die Kolleginnen und Kollegen Vertrauen in die neue Landesregierung haben können, dass ihre Interessen geachtet und nicht übersehen werden. Davon werden viele wohl auch ihr Wahlverhalten abhängig machen. Jetzt ist es an der schwarz-gelben Landesregierung vertrauensbildend zu handeln.

Friedhelm Sanker

Symbolfoto: Stockwerk-Fotodesign/stock.adobe.com

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Von BSBD NRW

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